4) Die Post- Moderne#0

Ich muss die Ideen nicht finden. Die Politiker spielen sie mir jeden Tag zu. Der Karrikaturist Nicco vom Tages-Anzeiger
Spam hat 2002/3 um 450% zugenommen; das ist die Neue New Economy...

Krisen,  heisst es, böten Chancen. Was aber, wenn die Zeit der Bedrängnis allzu lange währt, so dass fast alle aller Hoffnung müde geworden sind? Das, Konsequenz der vorherrschenden Denkkatastrophe, wird als Krise der Repräsentation  verharmlost und von den schönredenden Verursachern, den textpflegenden Philo- und anderer -logen damit selbst, auf Kosten der Betroffenen, wie bei Marthaler in Zürich versteht sich, entfremdet. Das führt dann zwangsläufig zu in der zu lange anhaltenden Dauerkrise dazu, dass im vorherrschenden Repräsentationsystem  keine grossen Verheissungen  mehr verstanden  werden. Damit kommt es zur jetzt wie ein schlechter Geschmack in der Luft hängenden und dann wie ein Gewitter hereinbrechenden Umbruchszeit mit ihren zunehmend globaleren Humankatastrophen.

Angeregt von sozialwissenschaftlichen Übervätern  wie den Philosoph Jürgen Habermas schreiben Psychogimpel  Aufsätze und Abhandlungen, halten Vorträge, nehmen an internationalen Symposien und Konferenzen teil, und lassen ausserhalb ihres akademischen Umfelds psychopolitisch  geschickt verbreiten, sie setzten sich für die Menschen ein. Ihre postnormal vorherrschende « Theorie des kommunikativen Handelns », zieht junge Studierende und Altachtundsechziger genau so in Scharen an wie in die Jahre gekommene Intellektuelle. « Religiöse Toleranz als Schrittmacher   kultureller Rechte » lautet die psychopolitisch   bewährte Beschwörungsformel  um - Ablehnung gegen wirkliche Lösungen, Akzeptanz der Km-Matrix des Zeitgeistes und Grenzziehung zwischen Herren und Knechten mit der Pre-Trans-Trap zu legitimieren und solches Sinnieren gefällt, und ist damit frei nach Goethe, Recht. Dort, wo einem Zweierbeziehungen wie z.B. der mit Deutschland nicht passen, oder für eine Budgeter-höhung z.B. für Marthaler gut sind, fordert mittlerweile der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber auf, sich auf der Strasse, als Mob eben, einzusetzen. So entsteht in Zürich nach dem Grounding dessen Wirtschaftsfilz, ein Filz nach dem andern,   solange man damit besser abzocken kann als mit effektiven Leistungen.

Die beste Darstellung der Postmoderne und ihrer Zukunft gab im Sommer 2003, nach den 1001 Nächten des irakischen Informationsministers bis zum Fall Bagdads, wohl Hillary Clinton mit der Vorstellung ihrer Autobiographie; sie soll ihr, vom Marketing schon im Voraus abgesichert, 8 Millionen Dollars einbringen:  

«Hillary Clinton ist unser (Zauberlehrling) Harry Potter», sagt ein Buchhändler in Washington. Anders als in früheren Fällen hat die 55-Jährige diesmal das Scheinwerferlicht selbst gesucht. «Das Schreiben des Buches war schwierig.» Die Schlussszene ist wie die eines Films mit Fortsetzung und positioniert dafür die Hauptdarstellerin perfekt. Sie gibt sich so, dass alle das  in ihr Buch hineininterpretieren können, was ihren jeweiligen Zwecken dient.  Sie weiss zwar sicher, dass, falls sie 2008 für die Präsidentschaft kandidiert, dies ein verrückter, hässlicher Wahlkampf werden würde und dass die erste Präsidentin nicht so gewählt werden sollte. Zur kritischen Frage, ob sie selbst treu gewesen sei, meint sie, die beste Antwort  darauf sei die von Rosalyn Carter: «Falls ich es nicht gewesen wäre, würde ich es nicht sagen.»

Das eine unterstreicht Hillary Clinton chamäleonhaft immer wieder, die Überzeugung, die sie mit ihrem Mann, Bill Clinton teilt, nämlich dass, wie er es einmal nannte, der Charakter «ein Weg und nicht (Hinweis auf) das Ziel » sei. So suggeriert sie, dass es ausser sich selbst erfüllenden Prophezeiungen,  die erfolgreiche Politiker ausmachen, nichts mehr zu erfüllen  gibt und das tut sie mit einem Mischmasch von politischen Plattitüden  und hölzernen Anmerkungen  über ihre offiziellen Pflichten in Washington.

Insgesamt liest sich ihr Buch wie eine Wahlrede, durchsetzt mit Anekdoten, wie sie bei Talkshows gern zum Besten gegeben werden.  Hillary Clinton neigt zu hochtrabenden Formulierungen,  wenn sie von sich spricht. «Bill redete von gesellschaftlichen Veränderungen, ich habe sie verkörpert» Ihr Buch ist in vielerlei Hinsicht ein typisches Produkt unserer Zeit,  einer Zeit von Selbstdarstellern,  einer Zeit, in der politische Repräsentanten   öffentliche Geständnisse ablegen und sich privat zeigen müssen, Skandale sofort in Einschaltquoten  übersetzt werden, einer Zeit, in der starke Frauen in hohe politische Ämter kommen können. Sie erleben dann aber meist ihre grösste Popularität, wenn sie als Opfer wahrgenommen  werden.

Hillary Clinton bemüht sich, ihre vielen Widersprüche   in der politischen Mitte zu positionieren und zu einer Geschichte von Reifungen und Kompromissen  zu verschmelzen. Das mag amüsant sein, ist aber im Grund nichts sagend.  So meinte sie: «Mein Mann mag Fehler haben, aber er hat mich nie belogen.» Sie führt seine brisantesten Fehler auf eine «Politik der gezielten persönlichen Zerstörung» zurück. «Je mehr ich zu der Überzeugung kam, dass der (Bundesstaatsanwalt) Starr (in der Lewinsky Affäre) seine Macht missbrauchte, desto eher konnte ich mit Bill sympathisieren – zumindest politisch.» So erscheint Bill der Unentschlossenere, Kompromissbereitere, sie dagegen als die Resolutere, Kämpferische. Bill Clinton bekommt das Image des Optimisten, sie die Bedenkenträgerin, er der redselige, jungenhafte Hansdampf in allen Gassen, sie, die fokussierte Arbeiterin. Schon in ihrer Kindheit ging man nur bei besonderen Anlässen zu McDonald und sie lief mit den Nachbarskinder in der Sommerdämmerung lachend durch den giftigen DDT-Nebel, der von städtischen Fahrzeugen versprüht wurde.

Nach dem Lesen des Buches, so die Literaturkritikerin der New York Times, Michiko Kakutani meinungsmachend, hat man das Gefühl,  es handle sich um sorgfältig einstudierte Statements einer professionellen Politikerin, die mit ihrer Lesereise ihre Präsidentschaftskandidatur einläuten will. Hauptsache, man bleibt damit im Rampenlicht der Öffentlichkeit  und kann weiter abzocken...

In diesem Geiste entsteht eine Wissenschaftlichkeit, die lediglich sich, auf Kosten derer, die sie à la Expo.02, Bergier Kommission und Marthaler, mit ihrem Schein abzockt,  selbst gefällt.  Deshalb hat man in der Reformation den Schein beseitigt, und den Leuten das Wort Gottes, die Bibel als das umfassendste Erfahrungsbuch,  direkt zugänglich gemacht, und deswegen führten die SAirGroupies   die Swissair zum Grounding nachdem sie sich mit dem goldenen Fallschirm abgesetzt hatten...

Geschichten geniessen , gemäss Elisabeth Tschiemer vom Collegium Helveticum einen zweifelhaften Ruf in den Wissenschaften, wo nicht Fiktionen,  sondern Fakten  zählen. Dabei ist das, was narrative Verfahren und Strategien bei der Wissensvermittlung und Erkenntnisge-winnung leisten, weder wegzudenken, noch dingfest zu machen. Es sei jedoch ein offenes Geheimnis, dass es bereits für die Verknüpfung verschiedener Aussagen innerhalb einer Disziplin mehr und anderes brauchen kann als das, was durch rigide formale Kriterien als abgesichert gilt.

Was aber, wenn Wissensinhalte und -formen zwischen den Disziplinen zueinander in Beziehung gesetzt oder in Anwendungskontexten konkret umgesetzt  werden sollen? Der Einsicht, dass dabei auf erzählerische Verfahren und Fertigkeiten zurückgegriffen wird, steht der Befund gegenüber, dass deren Erwerb und der reflektierte Umgang mit Narrativität nicht zu dem gehört,  was man in der disziplinären Sozialisation als wissenschaftliche Kernkompetenz zu begreifen lernt. Das Anliegen ihres Symposiums ist es, die Narrativität  in den Wissenschaften zum Gegenstand einer ebenso konzentrierten wie vielstimmigen Debatte im Hinblick auf  "DAVOR", "DARIN" und "DANACH" zu machen also NICHTS wirklich Wirkendes zu modellieren ...

Damit ist angedeutet, wie ich mir das Reframing dieser Art der Wissenschaftlichkeit vorstelle...